“Was soll das?” – Offener Brief zweier Oersdorfer zur Bebauung der Dorfmitte

Im folgenden möchte ich – etwas gekürzt – ein Schreiben wiedergeben, das der OeWV zum Thema Bebauung der Dorfmitte zugegangen ist. Verfasser des Textes sind Ariane und Rainer Möller aus Oersdorf, die der Veröffentlichung zugestimmt haben.

Kürzlich haben wir mit Schrecken vom geplanten Bau einer überdimensionalen Wohnanlage am Dorfplatz gelesen. Wir waren fassungslos. Wie kann man nur auf die Idee kommen, in einer Gemeinde unserer Größenordnung mit einer typischen Einzelhausbebauung ein derartiges Projekt umsetzen zu wollen?

Was für einen Sinn hat dieses Unterfangen? Welcher Nutzen oder welche Vorteile sollen von diesem Projekt für die Gesamtheit der Oersdorfer ausgehen? Bis jetzt können wir – ebenso wie etliche andere – nur Risiken und Nachteile erkennen. Das geplante Bauwerk…

– ist für einen Ort unserer Größenordnung aufgrund seiner Ausmaße vollkommen überdimensioniert.

– fügt sich weder baulich noch optisch in die Einzelhausbebauung und Landschaftsgestaltung ein.

– würde das Verkehrs-, Besucher- und Parkaufkommen rund um den Neubau und im ganzen Ort erheblich und nicht kalkulierbar anwachsen lassen.

– würde die Infrastruktur der Gemeinde über Gebühr belasten und dadurch Folgekosten für die Gemeinde in nicht überschaubarer Höhe verursachen.

– wird die Einwohnerstruktur und Wohnkultur einseitig und nachhaltig verändern.

– setzt einseitig Prioritäten zugunsten eines Teils der Einwohner, lässt aber mögliche andere Einwohnerinteressen offensichtlich außer Acht.

Deshalb möchten wir die Mitglieder der Oersdorfer Wählervereinigung dringend bitten, sich unserer Sorgen anzunehmen, sich den Fragen zu stellen und dazu beizutragen, dass von diesem monströsen Bauwerk Abstand genommen wird oder dass unter Einbeziehung und Würdigung der Bürgerinteressen nach adäquaten Lösungen gesucht wird.

Um nicht missverstanden zu werden: Altengerechtes und betreutes Wohnen in Oersdorf ist ein ehrenvoller Ansatz. Aber hat man neben der Vielzahl essentieller Fragen, wie zum Beispiel…

– Wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt, aus der sich die Rechtfertigung für ein derartiges Großprojekt ableiten lässt?

– Wurden Altersstrukturen, Bevölkerungsdichte und Entwicklungen zur Einwohnerzahl ermittelt und in die Planungen einbezogen?

– Wurden unter Beachtung dieser Datetn Analysen zum tatsächlichen und künftigen Bedarf erstellt?

– Wurde beachtet, dass sich der Trend – gerade im ländlichen Bereich – nachweislich eher in Richtung des altengerechten Wohnens in den eigenen vier Wänden entwickelt?

– Ist es belegt, dass allein die Oersdorfer Senioren den überdimensionierten Bau füllen werden?

– Wenn nein, für wen soll er dann gebaut werden?

– Woher stammt die Motivation und welche Personen bzw. Institutionen haben ein Interesse daran, dass dieses Bauwerk ausgerechnet in Oersdorf errichtet werden soll?

– Ist nachhaltig geprüft worden und kann sichergestellt werden, dass durch dieses Projekt weder der Gemeinde noch in der Folge den Oersdorfer Bürgern Abgaben und Beitragssteigerungen entstehen?

– Wer hat eigentlich wann dieses Projekt angeschoben und auf den Weg gebracht?

…einmal daran gedacht, die Oersdorfer Einwohner  ernsthaft in die Entscheidungsfindung einzubinden; sie zu fragen, wie sie zu einem derartigen Projekt stehen? Schließlich geht es nicht nur um einige Einzelinteressen, sondern um die aller Bürgerinnen und Bürger, von Jung und Alt, Groß und Klein, Mann und Frau, arm bis reich.

Hiermit wollen wir Sie von der OeWV, die Sie dem Projekt zumindest kritisch gegenüber zu stehen scheinen ermutigen, dazu beizutragen, dass die Interessen aller Bürger berücksichtigt werden.

Im Übrigen sollte gemeinsam mit und vor allem für alle Oersdorfer Bürger geprüft werden, wie das vorhandene Grundstück kostengünstig für eine attaktive Gestaltung der Dorfmitte genutzt werden kann, bevor mit zweifelhaften Grundstücksgeschäften der Oersdorfer Ortskern zum Zentrum altengerechten Wohnens für das gesamte Umland ausgebaut wird. Auch ohne zusätzliche Einnahmen aus Grundstücksverkäufen ließe sich sicher eine Dorfmitte gestalten, die das Gemeindehaus, die Feuerwehr, die umliegenden Gebäude usw. harmonisch miteinander verbindet.

Abschließend soll auf Grundsätzliches aufmerksam gemacht werden: Die Gemeindevertreter wurden gewählt, als den Wählern von derartigen Großprojekten nicht bekannt war, also niemand wissen konnte, wie sich die jeweilige Fraktion dazu stellt. Für die Umsetzung von Großprojekten der in Rede stehenden Art fehlt den Gemeindevertretern sowie dem Bürgermeister aus unserer Sicht deshalb die erforderliche Legitimation. Es erscheint aus unserer Sicht weder demokratisch sauber noch politisch anständig und den Wählern gegenüber unseriös, wenn die Bürgerinnen und Bürger von der Entscheidungsfindung über ein Projekt dieser Größenordnung praktisch ausgeschlossen werden.

Wir gewinnen immer mehr den Eindruck, dass sich das Handeln der Gemeindevertretung zunehmend an der Interessenbefriedigung einzelner Personen oder Institutionen orientiert. Ein Trend, dem sich hoffentlich die Oersdorfer Wählervereinigung kritisch entgegenstellt.